Freitag, 2. Juli 2010

Was Chromosomale rezessive Übertragung vermuten lässt

abc M-Mode-Darstellung der DCM. Der Herzmuskel zeigt eine Kontraktilität von etwa 10 % (normal: >25 %) und ist stark erweitert -> Erklärungsausflug in die Genetik verschiedener Übertragungsmodi: Es gibt verschieden Vererbungswege: a) autosomal dominant: das betroffene Gen liegt nicht auf einem Geschlechtschromosom; diese Vererbung ist geschlechtsunabhängig, und aufgrund ihres dominanten Charakters, reicht es aus wenn ein einziges Elternteil das krankmachende Gen überträgt, damit der Welpe ebenfalls krank ist. b) autosomal rezessiv: diese Vererbung ist ebenfalls geschlechtsunabhängig, aber aufgrund des rezessiven Charakters, müssen beide Elternteile das krankmachende Gen übertragen, damit der Nachkomme erkrankt. Überträgt nur ein Elternteil das krankmachende Gen, ist der Welpe nur Überträger : d.h. er kann das Gen an seine Nachkommen weitergeben, ist selbst aber gesund. c) X-Chromosomale Vererbung: Jedes Individuum hat zwei Geschlechstchromosomen: weibliche haben zwei X-Chromosomen, männliche ein X- und ein Y-Chromosom. Das ist der ganze Unterschied zwischen den zwei Geschlechtern! Bei diesem Vererbungsmodus liegt das krankmachende Gen auf einem Geschlechtschromosom, meist dem X-Chromosom, denn das Y-Chromosom enthält nicht viele Gene. Das Verhalten von dominant zu rezessiv bleibt erhalten, aber der Vererbungsweg ist anders: hier wird das Geschlecht des Tieres dafür entscheidend, ob es krank ist oder nicht. Da wir ja wissen, dass männliche Wesen nur ein X-Chromosom haben, ist es leicht verständlich, dass ein Rüde mit einem krankmachenden Gen auf diesem Chromosom nicht nur immer selbst erkrankt sein wird, sondern auch dass er dieses Gen an alle seine weiblichen Nachkommen vererben wird! Weibliche Wesen haben immer zwei X-Chromosomen, so ist es für sie etwas komplexer: Im Falle einer dominanten X-Vererbung, reicht ein einziges befallenes Chromosom aus, um die Krankheit ausbrechen zu lassen. Im Falle einer rezessiven X-Vererbung, sind Tiere mit nur einem befallenen X-Chromosom gesunde Träger: sie sind selbst gesund, können aber das krankmachende Gen vererben. Ein Muttertier mit zwei befallenen X-Chromosomen ist selbst erkrankt und wird das krankmachende Gen an alle ihren männlichen Nachkommen weitergeben! Da ja jeder Welpe einen doppelten Chromosomensatz hat (einen von der Mutter, einen vom Vater), bekommen männliche Welpen das Y-Chromosom vom Vater, und das X-Chromosom immer von der Mutter. Die weiblichen Nachkommen derselben Mutter haben eine Chance gesund zu sein, wenn der Vater gesund ist. Nun zurück zur DCM bei der Deutschen Dogge: Man vermutet eine X-chromosomale rezessive Vererbung. Das heisst, dass Hündinnen homozygot sein müssen (sie müssen das Allel für DCM auf beiden Chromosomen haben), um an DCM zu erkranken, während Rüden immer erkranken, wenn auf ihrem X-Chromosom das krankmachende Gen liegt. Da Rüden ja nur ein X-Chromosom haben, haben sie keine Chance durch das zweite gesunde Chromosom "gerettet" zu werden. Das heisst auch, dass ein kranker Rüde, das krankmachende Gen an seine gesamte weibliche Nachkommenschaft vererben wird, denn er hat ja nur das eine X-Chromosom zu vererben: man erhält also 100% Träger bei den weiblichen Nachkommen. Wird nun ein kranker Rüde mit einer Hündin verpaart, die ebenfalls ein X-Chromosom mit dem Allel für DCM besitzt, so erhält man statistisch 50% kranker Welpen! Es ist gut an dieser Stelle zu erinnern, dass sowohl männliche als auch weibliche (homozygote) Träger von DCM, nicht bei der Geburt oder selbst im Wachstum erkannt werden: wie gesagt, die Erkrankung bricht oftmals erst beim erwachsenen Tier aus. Wichtig hinsichtlich der angegebenen Prozentzahlen und der Bezeichnung "krank": Die Geschlechtsverteilung weiblicher und männlicher Welpen in einem Wurf ist völlig zufallsbedingt! Ebenso die Häufigkeit mit der ein krankmachendes Allel vererbt wird... die Prozentangaben beziehen sich also rein auf die statistischen Möglichkeiten, die es bei der Rekombination der Gene beider Eltern gibt. Letztendlich kann in der Realität ein Wurf nur aus männlichen Welpen bestehen, oder nur aus "kranken" Welpen, oder umgekehrt; meistens gibt es dann in einem Wurf "ein bisschen von allem", aber die Verteilung innerhalb der in den Schemata erläuterten Möglichkeiten ist zufallsbedingt! Der Einfachheit halberals "krank" bezeichnet: einen Rüden, der das krankmachende Allel für DCM trägt, sowie eine Hündin, die homozygot bezüglich dieses Allels ist (schwarz durchgefärbte Symbole): in dem Wissen, dass DCM eine fortschreitende Erkrankung ist, dessen Anfangssymptome schleichend sind, wäre es vielleicht korrekter gewesen die Bezeichnung "genetische Träger von DCM, mit früher oder späterem Krankheitsausbruch" zu benutzen, aber das wäre etwas lang gewesen...Es scheint mir hier wichtig noch einmal darauf hinzuweisen, dass durchaus ein "klinisch gesunder" Hund mit "bestem Gewissen" zur Zucht eingesetzt werden Könnte, wenn der Züchter bezüglich DCM nicht aufgeklärt ist, dieser Hund aber nur wenige Jahre später eine genetisch veranlagte DCM entwickelt! Dieser Hund wird so sehe ich es als "krank" bezeichnet. 6. Forschungsprogramm zur DCM, wie kann man mitmachen? Es sind Untersuchungen am Laufen, um die genaue Ursache der DCM bei der Deutschen Dogge zu klären, und um ein Testverfahren zur Diagnostik zu entwickeln. Um diese Forschung voran zu treiben, wäre es sinnvoll, dass möglichst viele Doggen mitmachen, und vor allem, dass die Züchter ihre Zuchthunde den Tests unterziehen ... In Schweden wurde in einer Populationsstudie über die Deutsche Dogge die DCM als Todesursache Nr. 2 genannt, nach Magendrehungen und noch vor Krebs. Für Deutschland gibt es bislang keine Zahlen. Eine Studie zum Thema Gesundheit bzw. Herzerkrankungen gibt es bisher nicht. Eine Todesursachenstatistik wird von den Rassehundezuchtvereinen zur Zeit nicht veröffentlicht. Eine private Statistik aus Deutschland ergab eine Verteilung von 65% erkrankten Rüden gegenüber 35% erkrankten Hündinnen. Betroffen sind alle Farbschläge. Das durchschnittliche Diagnosealter lag bei etwa 5,5 Jahren, das durchschnittliche Todesalter bei 6,7 Jahren. Die Vererbung von DCM wird nach einer Untersuchung aus den USA mit höchster Wahrscheinlichkeit als x-chromosomal rezessiv angenommen. Beim Menschen wird z.B. die Bluterkrankheit auf diese Weise vererbt. Das heisst in Kurzform: • ist ein Rüde erkrankt, kann er das kranke Gen nur von seiner Mutter bekommen haben • ist eine Hündin erkrankt, muss sie die kranken Gene von beiden Elternteilen bekommen haben • Hündinnen können aber auch phänotypisch gesunde Überträgerinnen sein. Sie werden dann niemals krank (weil sie das defekte Gen nur von einem Elternteil bekommen haben), können dies aber an ihre Nachkommen weitergeben. In den USA wird seit Anfang 2006 an einem Gentest geforscht, um Träger der Krankheit früh genug erkennen zu können. Das ist sehr wichtig für die Zucht! Diese Forschung kann jeder Doggenhalter unterstützen. Es braucht nur einen aussagekräftigen Herzultraschall und eine Speichelprobe. Zusätzlich muss ein kurzer Fragebogen zum Hund ausgefüllt werden. Dabei bin ich gern behilflich. Sie möchten an der Forschung zum Gentest teilnehmen? Super! Kurzes email an mich genügt, ich setze mich dann mit Ihnen in Verbindung, um alles Weitere zu klären. Probenträger, Fragebogen und die Adresse der Uni in Texas bekommen Sie von mir. Was bedeutet DCM für die Zukunft der Deutschen Dogge? Wenn nichts passiert: • tragen Überträger-Hündinnen weiterhin unerkannt ihre Gendefekte in die nachfolgenden Generationen… • tragen nicht herzuntersuchte Deckrüden ebenfalls ihre Gendefekte in die nachfolgenden Generationen… • sterben nach wie vor viele Deutsche Doggen einen unnötigen und oft sogar unerkannten Herztod… Was können Sie tun? • Beteiligen Sie sich an der Gentest-Forschung. • Wenn Sie Züchter sind, denken Sie bitte über eine Ultraschalluntersuchung Ihrer Zuchthunde (auch des Deckrüden) nach. • Informieren Sie sich weiter. • Informieren Sie andere. Und wenn Sie noch Fragen haben, bin ich gerne bereit diese zu beantworten unter grais@live.de


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